VITALPIN: Podiumsdiskussion zum Sommertourismus durchgeführt
Der Verein VITALPIN hat in Zusammenarbeit mit seinem überregionalen Netzwerk im Rahmen einer Podiumsdiskussion über den Sommertourismus im Alpenraum diskutiert. Aus unterschiedlichen Aspekten bekommt dieser eine immer größere Bedeutung und hat auch viel Potenial für die Zukunft.
Radsport auf der Überholspur
Hierzulande setzen immer mehr Touristiker auf aktive Sommer-Gäste. Insbesondere die Wertschöpfung durch Rad-Touristen steigt zunehmend an – vom Rennradler über E-Biker bis hin zum Downhill-Biker. Dies zeichnet sich auch global ab, wie Jürgen Pichler, Marketingleiter von Doppelmayr, berichtet. „Das Ziel zahlreicher Wintersportdestinationen ist es, ihr touristisches Angebot zum 4-Jahreszeiten-Erlebnis auszubauen. Wir haben Kunden, welche im Sommer sogar schon mehr Umsatz als im Winter machen.“ Je nach Wetterlage und Schneesituation wird teilweise bereits im März/April auf den Sommerbetrieb umgestellt und die Saison bis Ende Oktober genützt. Die Konzepte sind unterschiedlich: Vom Passfahren mit dem Rennrad (ohne Aufstiegshilfe), über das Almradeln mit dem E-Bike (bergwärts und talwärts mit der Bahn) bis hin zum abwechslungsreichen Downhill-Park mit unterschiedlichen Trails (und Seilbahnen als voll integriertem Bestandteil). Jürgen Pichler führt weiter aus: „Unsere Anlagen können mit entsprechendem Zubehör sehr einfach vom Winter- auf den Sommerbetrieb umgerüstet werden, um Bikes aber auch Mountaincarts und sonstige Sportgeräte transportieren zu können – systemunabhängig versteht sich. Wir haben von Schleppliften über Sesselbahnen bis hin zu Kabinenbahnen, also für jegliche Seilbahnsysteme, sehr effiziente Lösungen. Auch bestehende Anlagen können mit Bike-Transportfunktion ausgestattet werden.“
Im Alpenraum funktioniert die Integration von unterschiedlichen Outdoor-Aktivitäten wie spazieren, wandern oder radeln sehr gut. In den USA und Kanada gibt es mehr spezialisierte Resorts, beispielsweise mit Fokus ausschließlich auf den Downhill-Sport. Andere wiederum sprechen vor allem Wanderer an, die am Berg entschleunigen möchten.
Vor allem für die Alpenregion und einen nachhaltigen Tourismus sind aktive Urlauber im Sommer von großer Bedeutung. Denn die Hauptmotive für z.B. Mountainbiker sind der Genuss von Natur und Landschaft (68 %), gefolgt von sportlicher Betätigung und Fitness (49 %), wie Studien und Analysen zeigen. „Man kann annehmen, dass die Gäste daher auf unsere Umwelt achten. Diese Tatsache ist ein wichtiger Bestandteil eines zukunftsfähigen, ganzjährigen Tourismus, der auf unterschiedlichen Säulen aufgebaut ist“, sagt VITALPIN-Geschäftsführer Manuel Lutz
Eine Befragung ergab zudem, dass 55 % der Mountainbiker gut ausgebaute Trails als entscheidend für ihren Urlaub betrachten, gefolgt vom allgemeinen Streckenangebot (53 %). Durch das Angebot sollten die Radfahrer auch auf ihren Routen bleiben und andere Naturräume sind geschützt. Ohne diese Maßnahmen werden unberührte Teile häufig intensiv genutzt.
Es gibt bereits einige Vorzeigeregionen. Eine davon ist das Ötztal. Mit der Bike Republic wurde eine eigene Marke geschaffen. Die Aufstiegsanlagen werden nun auch im Sommer genutzt und locken neue Gäste an. „Sölden hat sich damit auch zum Hotspot im Sommer etabliert. Durch die vielfältigen Angebote im Winter wie im Sommer, ist auch das Jobangebot für Mitarbeiter größer und viele können das ganze Jahr im Tal gehalten werden“, erklärt Michaela Burger, Geschäftsführerin der Bergbahnen Hochoetz.
Sommerfrische in den Alpen
Lange Zeit war ein Sommerurlaub in den Bergen nur für wenige Menschen attraktiv. Doch durch die klimatischen Veränderungen werden die höheren Lagen zunehmend zu einem Mekka. Menschen aus Ballungszentren schätzen die gute Bergluft. Auch für Allergiker sind höhere Lagen eine Erholung, um u.a. dem Pollenflug zu entkommen. Ebenso die Zunahme an Hitzetagen bereitet immer mehr Personen Probleme. In den Alpen lässt es sich bei angenehmen Temperaturen gut aushalten. Und der Körper hat Zeit zum Regenerieren.
Beim Stichwort erfolgreicher Ganzjahrestourismus wird oft Südtirol als Vorbild genannt. Für Raffael Mooswalder, Direktor des Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV), ist klar: „Südtirol punktet mit einer langen Sommersaison, die von Mai bis Oktober reicht. Sonne, angenehme Temperaturen und unsere landschaftliche Vielfalt machen die Region zum idealen Ziel für Outdoor-Aktivitäten, Erholung und Genuss.“
Diese Faktoren ziehen natürlich viele Urlauber in die Region. Das wirkt sich auf die Tourismusgesinnung aus. Vereinzelt gibt es anonyme Protestaktionen, die einen permanenten Übertourismus suggerieren wollen. Auch die Touristiker sind über die Entwicklung, vor allem in Bezug auf Tagestouristen, die auf Selfie-Jagd gehen, nicht erfreut. Es wird daher an Maßnahmen gearbeitet, wie Mooswalder betont: „Erste gute Erfahrungen mit Besucherlenkung wurde am Beispiel des Pragser Wildsees gemacht. Gearbeitet wird auch an einer Verkehrslösungen für die Dolomitenpässe. Ebenso einen Beitrag leistet der Südtirol Guest Pass. Damit soll der Individualverkehr auf den ÖPNV verlagert werden.” Wichtige Schritte setzt Südtirol auch im Bereich der Nachhaltigkeit: „Mit dem Nachhaltigkeitslabel Südtirol, das auf internationalen GSTC-Standards basiert, treiben wir die nachhaltige Ausrichtung unserer Betriebe und Regionen aktiv voran. Bereits rund 200 Betriebe und acht Regionen sind zertifiziert“, sagt Mooswalder.
Der Sommertourismus bekommt auch in der Schweiz immer mehr Bedeutung, vor allem für die Hotellerie und Gastronomie, etwas weniger für die Bergbahnen ohne typische Ausflugsberge. In der Schweiz hat – nebst dem Individualtourismus – im Sommer vor allem der „Touring-Tourism“ mit Feriengeäste und Gruppen, welche auf Entdeckungsreise durch die Schweiz gehen, eine große Bedeutung erhalten, insbesondere für die klassischen Ausflugsgebiete und -Berge. In diesem Zusammenhang sind in letzter Zeit auch Diskussionen zum Overtourism aufgekommen. Silvio Schmid von den Bergbahnen Graubünden relativiert: „Das Thema beschränkt sich aber auf ganz wenige Hotspots und nur während der absoluten Hochsaison.“
Vom Sommer auf den Winter
Ein ganz anderes Bild in Bad Hindelang im Allgäu. Die Gemeinde hat 5.200 Einwohner und jährlich rund 1 Mio. Übernachtungen. Der Tourismus ist der Hauptwirtschaftszweig. Der Sommer macht dort schon 60 Prozent der Wertschöpfung aus. Da es auch kritische Stimmen gegen den Tourismus gab, entschied die Gemeinde 2018 in das Lebensraumkonzept „Unser Bad Hindelang 2030“ eine Tourismusstrategie zu integrieren. Die Reduzierung des Individualverkehrs, saisonverlängernde Maßnahmen und Besucherlenkung spielen dabei eine wichtige Rolle. „Ein reines Tourismuskonzept hätte keine Akzeptanz in der Bevölkerung gefunden. So wurde das Tourismuskonzept in das Lebensraumkonzept ,Unser Bad Hindelang 2030´ integriert – und nicht umgekehrt“, betont Tourismusdirektor Maximilian Hillmeier.
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