HGV, DEHOGA Bayern und ÖHV im Gespräch

Interview mit Angela Inselkammer, Präsidentin DEHOGA Bayern, ÖHV-Präsident Walter Veit und HGV-Präsident Manfred Pinzger

Die Vorstände der gastgewerblichen Verbände des Alpenraums pflegen einen intensiven Austausch über die Grenzen hinweg. Die HGV-Zeitung hat mit Angela Inselkammer, Präsidentin DEHOGA Bayern, Walter Veit, ÖHV-Präsident, und HGV-Präsident Manfred Pinzger ein Gespräch geführt.

Der Tourismus steht immer wieder in der Kritik. Wie beurteilen Sie die Situation in Ihrem Land?
Angela Inselkammer: In Bayern steht der Tourismus nicht so in der Kritik. Und das obwohl noch nie so viele Menschen in Bayern Urlaub gemacht haben wie 2024. Der Tourismus gilt offiziell als Leitökonomie unseres Freistaates und viele sind sich der positiven Auswirkungen bewusst, insbesondere im ländlichen Raum. Denn er ist ein Garant für eine positive ländliche Entwicklung, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich und kulturell. Gleichwohl sehen wir eine wachsende Kluft. Die Bilanzen der Unternehmen sehen oft deutlich schlechter aus als die touristische Gesamtbilanz. Steigende Preise und gleichzeitig sinkende Reisebudgets belasten unsere Branche. Insbesondere im Gastgewerbe stehen viele Betriebe vor existenziellen Herausforderungen. Kostenexplosionen bei Energie, Lebensmitteln und Personal, massive Steuerbelastungen und ein regelrechter Bürokratie-Tsunami gefährden die Existenz vieler Betriebe. Die Zahl der Betriebsschließungen im ländlichen Raum nimmt drastisch zu. Wenn das Wirtshaus stirbt, verliert das Dorf sein Herz. Ohne Gastronomie kein Tourismus, und ohne Tourismus bricht eine essenzielle Versorgungs- und Erlebnisstruktur weg. Daher braucht es dringend eine politische Kurskorrektur: weniger Belastung, mehr Vertrauen und faire Wettbewerbsbedingungen.

Walter Veit: Kritik am Tourismus entsteht in Österreich meist dann, wenn Einzelfälle skandalisiert und medial überhöht werden. Das ist schade, denn sie verdecken, wie viel sich in den letzten Jahren in der Branche getan hat. Gerade die Top-Hotellerie hat massiv in Qualität investiert: nicht nur in ihre Häuser, sondern vor allem in ihre Teams. Das beginnt bei hochwertigen Mitarbeiterwohnungen, geht über faire Entlohnung und flexible Arbeitszeitmodelle bis hin zu echter Work-Life-Balance und endet bei einem respektvollen, wertschätzenden Miteinander. Darum geben wir als ÖHV den Besten der Branche bewusst Bühnen, damit genau diese positiven Vorbilder sichtbar werden.

Manfred Pinzger: Der Tourismus in Südtirol wird letztlich für viele Mängel und Probleme verantwortlich gemacht. Die Umfragen, die wir als HGV immer wieder durchführen, sagen eindeutig, dass die große Mehrheit der Bevölkerung positiv zum Tourismus und der damit verbundenen Wertschöpfung steht. Allerdings werden die Mobilität und der teure Wohnraum von Einheimischen zunehmend kritisch gesehen. Das nehmen wir sehr ernst. Generell ist aber feststellbar, dass immer mehr Menschen die wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht mehr erkennen und glauben, dass Wirtschaft auch ohne Wachstum funktionieren kann bzw. dass die öffentlichen Haushalte auch ohne wirtschaftliches Wachstum auskommen.

 

Welche Strategien verfolgt Ihr Verband, um den Mehrwert des Tourismus zu vermitteln?
Veit: Tourismusakzeptanz entsteht dort, wo der Mehrwert spürbar ist. Genau daran arbeiten wir gemeinsam mit unseren Partnern. Seit 2020 wird der Tourismusakzeptanz-Index in Österreich wissenschaftlich erhoben. 2023 lag er bei beachtlichen 75 von 100 Punkten, ein starkes Zeichen dafür, dass die Bevölkerung den Tourismus nicht nur toleriert, sondern dessen Wert schätzt: als Wirtschaftsmotor, Arbeitsplatzgarant und nachhaltigen Entwicklungstreiber. Trotz hoher Gästezahlen gibt es kaum Overtourism. Genau das stärkt die Akzeptanz in der Bevölkerung. Nur wenn sich Tourismus positiv auf das Leben vor Ort auswirkt, wird er langfristig willkommen sein. Daher setzen wir uns für regionale Wertschöpfung, Nachhaltigkeit und ein gutes Miteinander von Gästen und Einheimischen ein.

Inselkammer: Wir setzen auf eine klare Botschaft: Tourismus schafft Lebensqualität für Gäste und Einheimische gleichermaßen. Unsere Mitglieder sichern Arbeits- und Ausbildungsplätze, erhalten regionale Wertschöpfungsketten und beleben ländliche Räume. Wir fördern gezielt Konzepte wie die „Ausgezeichnete GenussKüche“, das „Kulinarische Erbe Bayern“ oder regionale Netzwerke zwischen Landwirten, Brauereien und Gastronomen. Das Ziel: regionale Produkte und Kultur erlebbar machen, Vertrauen schaffen und Identifikation fördern. Zudem arbeiten wir eng mit Tourismusorganisationen, Standortentwicklern, Städten und Gemeinden zusammen. Tourismus darf nicht als Belastung, sondern muss als Chance für regionale Entwicklung und mehr Lebensqualität verstanden werden. Dafür kämpfen wir.

Pinzger: Auf unsere Anregung hin erhebt das WIFO der Handelskammer Bozen in einer wissenschaftlichen Studie, dem sogenannten Tourismus-Satellitenkonto, wie groß die Wertschöpfung des Hotel- und Gastgewerbes in Südtirol ist. Diese Studie brauchen wir, um in der Diskussion mit Daten und Fakten argumentieren zu können. Wir verweisen immer wieder darauf, dass uns nur der Tourismus vor einer Abwanderung aus unseren Tälern und Dörfern bewahrt hat. Dadurch konnten vor Ort Arbeitsplätze und Wohlstand, beispielsweise auch in den Sektoren Handwerk und Handel, geschaffen werden, welche vom Tourismus befruchtet werden. Die Orte bleiben lebendig, Familien siedeln sich an – mit allen weiteren positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft. Diese wichtige soziale Funktion müssen wir mehr denn je unterstreichen, denn sie wird vielfach als selbstverständlich wahrgenommen.

 

Worin sehen Sie die unmittelbaren Herausforderungen und Chancen für das Gastgewerbe im Alpenraum?
Pinzger: Die größte Herausforderung besteht für mich darin, dass der Tourismus im Alpenraum weiterhin der Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung bleiben wird. Wenn unser Tourismus nicht mehr wachsen soll, stellt sich die Frage, wie dann die steigenden Sozialausgaben der öffentlichen Hand finanziert werden sollen. Eine weitere Herausforderung ist der Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Damit müssen wir effizienter umgehen. Und schließlich ist der Mitarbeitermangel die nächste Herausforderung, weil wir unsere Dienstleistung und unseren Service am Gast nur bedingt durch Technik ersetzen können. Und auch unsere Betriebe können wir nicht anderswohin verlegen. Die größte Chance liegt für mich in unseren familiengeführten Betrieben, die bisher schon mit viel Fleiß, Unternehmergeist und Risikobereitschaft tätig waren. Diese Eigenschaften sehe ich auch in unserer jungen Generation. Das stimmt mich zuversichtlich.

Inselkammer: Die größten Herausforderungen liegen aktuell in drei Bereichen. Erstens in der Rentabilität. Trotz hoher Auslastung bleibt vielen Betrieben am Ende des Tages kein Gewinn. Auch wenn der Umsatz hoch sein mag, die vielen Fixkosten reduzieren die Marge enorm. Zweitens der Bereich Personal. Der Mitarbeitermangel ist akut, die Rekrutierung internationaler Arbeitskräfte wird unnötig erschwert. Und drittens das Thema Bürokratie. Die weitaus meisten unserer Betriebe sind kleine Familienbetriebe. Die Regelungen sind oft geprägt von einem tiefen Misstrauen den Unternehmern gegenüber. Das muss aufhören. Gleichzeitig sehen wir große Chancen: Unsere Branche ist kreativ, resilient und tief verwurzelt in der Region. Nachhaltiger Tourismus, kulinarische Erlebnisse und neue Konzepte bieten große Potenziale, gerade für jüngere Zielgruppen. Wenn Politik und Wirtschaft jetzt gemeinsam die richtigen Weichen stellen, z. B. bei Digitalisierung, flexiblen Arbeitsmodellen oder der Steuerpolitik, dann kann unsere Branche gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Veit: Unsere Branche ist Rückgrat des heimischen Tourismus, aber dieses Rückgrat wird gerade stark belastet. Die enorm gestiegenen Betriebskosten sind für viele Häuser eine echte Belastungsprobe. Preise lassen sich nicht beliebig anheben, die Gewinnmargen schrumpfen. Gleichzeitig lähmt uns eine überbordende Bürokratie, die in Österreich gleich neun verschiedene Ausprägungen annehmen kann, je nach Bundesland. Mit unserer großen ÖHV-Entbürokratisierungsinitiative wollen wir diese Hemmnisse identifizieren, sichtbar machen und gemeinsam mit der Politik abbauen. Denn wer permanent mit Formularen kämpft, kann sich nicht auf das Wesentliche konzentrieren: seine Gäste. Hinzu kommt der Faktor Arbeit, der in Österreich so teuer wie kaum anderswo ist. Trotzdem sehen wir viele Chancen: Wer auf Qualität statt Masse setzt, steigert nicht nur die Wertschöpfung, sondern auch die Akzeptanz. Digitalisierung, Nachhaltigkeit und neue Arbeitsmodelle bieten enorme Potenziale, wenn wir sie gemeinsam klug nutzen.

 

Wie begleitet Ihr Verband die Mitglieder in puncto Digitalisierung sowie auf dem Weg zur Nachhaltigkeit?
Veit: Wir bieten umfassende Seminarangebote in den Bereichen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Leadership. Wir begleiten Betriebe bei Zertifizierungen, vermitteln Best Practices und helfen dabei, neue Technologien gewinnbringend einzusetzen. Ob KI, CRM-Systeme oder Energieeffizienz, wir bringen die passenden Lösungen dorthin, wo sie gebraucht werden. Gleichzeitig sind wir auch auf politischer Ebene aktiv: Wir setzen uns für klare Förderinstrumente, für Investitionssicherheit und für faire Rahmenbedingungen ein. Denn: Nachhaltigkeit ist kein Luxus, sondern Überlebensstrategie. Und Digitalisierung ist nicht die Zukunft, sie ist die Gegenwart. Unser Ziel ist klar: Wir wollen, dass unsere Mitglieder besser wirtschaften, klimafreundlicher agieren und auch als attraktive Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber wahrgenommen werden.

Inselkammer: Wir versuchen, für unsere Mitglieder erster Ansprechpartner für Anliegen aller Art zu sein. Wo möglich, leisten wir direkt Hilfe, gerne verweisen wir aber auch auf die Dienstleistungen und Produkte unserer rund 150 geprüften Partnerfirmen. Dementsprechend umfangreich und unterschiedlich fallen auch unsere Hilfestellungen in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit aus. Das beginnt bei Beratungsleistungen, geht über Schulungen bis hin zu konkreten Empfehlungen von Produkten. Unser Ziel ist ein starker, selbstbewusster Mittelstand, der nicht nur wirtschaftlich im Tourismus erfolgreich ist, sondern auch einen echten Beitrag zu Umwelt und Gesellschaft leistet.

Pinzger: Vor drei Jahren haben wir das Leitmotiv „Future Hospitality“ entwickelt, welches die drei Zukunftsthemen Innovation, Nachhaltigkeit und Human Relations bespielt. Für alle drei Bereiche haben wir konkrete Beratungsleistungen geschnürt, um unsere Mitglieder bestmöglich auf ihrem Weg zu begleiten, ihre Betriebe zukunftsfit aufzustellen. Zudem hat der HGV seit gut einem Jahr auch eine Außenstelle im Technologiepark NOI in Bozen. Mit dem Gustelier – Atelier für Geschmackserfahrung haben wir hausintern eine Kompetenzstelle in puncto Kulinarik, Ernährung, Küchen- und Gastronomietrends geschaffen. Mit Blick auf die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt arbeitet der HGV daran, das Gastgewerbe als attraktiven und sicheren Arbeitgeber zu positionieren.

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